COVID-19 hat uns die enge Verstrickung aller Sektoren aufgezeigt und diese gleichzeitig lahmgelegt. Die Auswirkungen der Lockdowns und der Einschränkungen des öffentlichen Lebens sind somit auch quer über alle Bereiche bemerkbar, und nicht nur unmittelbar im Gesundheitswesen. Die Pandemie hat aber auch die Versäumnisse der letzten Jahre unter anderem in der technologischen Unterstützung des Gesundheitssystems, der Datenverarbeitung für wissenschaftliche und gesundheitspolitische Zwecke, in Telemedizin und Langzeitversorgung, sowie in der strategischen Planung von Gesundheitsressourcen dramatisch zu Tage befördert. Auf der anderen Seite wurde die große, gesellschaftliche Bedeutung von Public Health mit der Krise auf einen Schlag einer breiten Allgemeinheit bewusst. „Die vergangenen Jahre haben uns gelehrt, dass wir auf eine Pandemie nicht vorbereitet waren: Wir müssen uns daraus die Lehren ziehen, uns besser vorbereiten und solide Pläne für neue globale Gesundheitsnotfälle und Gegenmaßnahmen haben. Diese gehen über die Bedrohung durch Infektionskrankheiten hinaus: Wir müssen nur aus dem Fenster schauen, um die Auswirkungen des Klimawandels und extremer Wetterereignisse zu erkennen. Wir können globale Gesundheitsnotfälle nur lösen, indem wir grenzüberschreitend und auf internationaler Ebene arbeiten. Es erfordert nationale Anstrengungen, nationales Engagement und Investitionen, aber internationale Koordination.“ (EUPHW).

Im Programm der 26. wissenschaftlichen Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Public Health (ÖGPH), am 25. und 26. Mai 2023 schlägt sich Global Health einerseits in Beiträgen zu den Auswirkungen der Pandemie und des Klimawandels auf die Gesundheit nieder. Aber es wird auch die Relevanz von Global Health auf nationaler Ebene diskutiert, oder wie wir endlich das große Potential der neuen Technologien für Public Health nutzen können.

Auch wenn die COVID-19 Pandemie offiziell für beendet erklärt wurde, spüren viele Menschen die Auswirkungen nach wie vor. Spannend ist dabei unter anderem, welche Änderungen nun tatsächlich langfristig einen Nutzen bringen. Dieser Frage geht unter anderem Zeiler in einer Analyse der digitalen Angebote psychosozialer Versorgung von Kindern und Jugendlichen nach. Die Novität der Situation hat aber auch zu großer Verunsicherung und einer Herausforderung in der Informationsaufarbeitung und Kommunikation geführt. Welchen Einfluss soziale Determinanten bei der Suche nach relevanten Informationen und dem Vertrauen in verschiedene Quellen gespielt haben gehen Gamillscheg et al. nach. Global, wie lokal ist eines der präsentesten Themen jedoch die Verschärfung der personellen Situation im Gesundheitssystem. Personalmangel, gepaart mit schlechten Arbeitsbedingungen und veralteten Strukturen sind einige der Gründe dafür, doch haben viele Gesundheitsberufe auch ein hohes Maß an Resilienz und Innovationskraft an den Tag gelegt. Diese gilt es weiterhin zu unterstützen (Lorenzoni und Wimmer). Eine ganze Session hat die Kompetenzgruppe Geriartrie und Gerontologie um das Thema Auswirkungen von Krisen auf ältere Menschen und Bedarf an Solidarität gestaltet. Hier werden nicht nur die Folgen von COVID-19 auf ältere Menschen beleuchtet (Waldherr et al., Stolz et al.), sondern auch die Physischen, psychischen und sozialen Einschränkungen von Frailty (Woldemariam) oder die Relevanz gesundheitskompetenter Physiotherapeut:innen für das Empowerment älterer und hochaltriger Menschen (Schlegl).

Die enorme Bedeutung hochwertiger Daten und deren wissenschaftliche Verarbeitung hat durch die Pandemie nochmal an Relevanz gewonnen. Dies schlägt sich unter anderem im Verordnungsvorschlag für einen Europäischen Gesundheitsdatenraum (European Health Data Space, EHDS) nieder, das europäische Gesundheitsdateninfrastrukturen sowohl im Bereich der Primär- als auch der Sekundärnutzung auf völlig neue Beine stellen würde. Nicht zuletzt im Public Health-Bereich würde der EHDS die Möglichkeiten der Nutzung von Gesundheitsdaten signifikant ausweiten (Degelsegger-Márquez et al.). Dass Technologie ein wichtiges, und noch immer schlecht verstandenes Hilfsmittel in allen Bereichen des Gesundheitssystems ist, beleuchtet eine Session, in der Informationsaufbereitung eine groß Rolle spielt: wie erreichen wir Menschen, die kein Vertrauen in öffentliche Institutionen haben (Griebler, U., Teutsch) und wie nutzen wir die vorhandenen Technologien, um den Zugang zum Beispiel zu psychischen Gesundheitsförderung zu erleichtern (Kampmüller). Die Plattform gesundheitsatlas.at (Griebler, R.) stellt einen ersten Schritt dar, um auch in Österreich im 21. Jahrhundert anzukommen.

Eine weitere Session beschäftigt sich mit dem Klimawandel und seinem multifaktoriellen Einfluss auf unsere Gesundheit. Besonders ältere Menschen werden zum Beispiel von längeren Hitzeperioden beeinträchtigt, Gesundheitsförderungsmaßnahmen haben aber gleichzeitig das Potential, Resilienz gegenüber Klimavulnerabilität bei älteren Menschen zu schaffen und gleichzeitig den CO2-Verbrauch zu reduzieren (Dorner und Stein). Doch auch der Einfluss des Gesundheitssystems und seiner Einrichtungen auf das Klima, Stichwort Klimaneutralität, rückt immer mehr in den Fokus von Forscher:innen und Entscheider:innen, und so ist es erfreulich, dass sich mehrere Vorträge mit den verschiedenen Ebenen des Systems beschäftigen: beispielsweise thematisieren Lampl et al. die Schnittstelle zwischen Klima- und Gesundheitspolitik und deren Potenzial zu einer gerechteren und klimafreundlichen Gesellschaft beizutragen, speziell mit Blick auf soziale Randgruppen. Doch auch die Privatwirtschaft kann wesentlich zu einem besseren Betriebs-Klima beitragen, und hier kann unter anderem eine Neuausrichtung der betrieblichen Gesundheitsförderung zielführend sein, wie Osztovics et al. berichten.

Women in Global Health (WGH) ist eine globale Bewegung, die darauf abzielt, Sichtbarkeit für Frauen zu schaffen, und sich für Geschlechtergerechtigkeit und eine gleichberechtigte Führungsrolle Aller im Gesundheitssystem einsetzt. Das WGH-Österreich-Chapter wurde erst im April 2023 gegründet und zielt darauf ab, Bündnisse für Frauen aufzubauen, die in einer Reihe von (globalen) Gesundheitsberufen arbeiten, mit dem Ziel, weibliche Führungspositionen zu stärken und die Gleichstellung der Geschlechter in globalen Führungspositionen und im Gesundheitswesen in Österreich anzustreben. Mit dem Fokus auf Rassismus und Ausgrenzung besteht in diesem Workshop die Möglichkeit, die österreichische Sektion der WGH und ihre Ziele für Österreich kennenzulernen und mitzugestalten (Woldemariam et al.). Global Health ist ein breit gefächertes Feld, in dem es um jene emergenten Themenkomplexe geht, die Auswirkungen auf die Weltgemeinschaft als Ganzes haben, die nur Disziplinen- und Grenz-überschreitend behandelt werden können, und die deswegen gemeinsamer Strategien bedürfen. Dazu zählen so unterschiedliche Problemfelder wie die gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels, Umweltverschmutzung, Migration, aber auch klassische Themen wie die alternde Bevölkerung, Übergewicht oder psychische Gesundheit. Einige dieser Themen wurden hier bereits aufgegriffen, doch gibt es noch viel Potential, die Brücke zwischen der globalen und der nationalen und regionalen Ebenen zu schlagen. Anti-mikrobielle Resistenz, ein Thema, das von der WHO als eine der Top 10 Gefahren für die Menschheit eingestuft wird, erhält hierzulande wenig Aufmerksamkeit, und auch die Themen Migration und chronische Krankheiten würden durch eine globale Perspektive positive Impulse erhalten. Die Diskussionen werden uns sicher auch die nächsten Jahre noch begleiten.