Diversitätsdimensionen umfassen unter anderem Geschlecht, Alter, sexuelle Orientierung, Religion, körperliche und geistige Fähigkeiten, ethnische Zugehörigkeit, politische und ideologische Einstellungen, sozioökonomische Position und viele andere. Diese Diversitätsdimensionen interagieren miteinander, beeinflussen Lebensstilmöglichkeiten und Lebensstilentscheidungen, den Zugang und die Aufnahmefähigkeit zu Gesundheitsförderung und Gesundheitsversorgung sowie das Gleichgewicht zwischen Gesundheitsressourcen und Gesundheitsbelastungen, somit bilden sie auch die Grundlage unterschiedlich verteilter Gesundheitschancen. Die Dimensionen der Diversität können als wichtige Gesundheitsdeterminanten angesehen werden. Ein vielfältiges persönliches soziales Netzwerk, reich an Diversität, ist mit besseren Gesundheitsergebnissen verbunden. Vielfalt fördert ein Gefühl der Inklusivität, was zu verbesserten (psychischen) Gesundheitsergebnissen führen kann. Darüber hinaus kann Vielfalt eine Reihe von Perspektiven und Erfahrungen bieten, die Problemlösungs- und Entscheidungsprozesse verbessern können. Darüber hinaus können unterschiedliche Personengruppen zu verbesserten kognitiven Fähigkeiten führen, einschließlich erhöhter Kreativität und Flexibilität im Denken. Aus diesen Gründen kann Vielfalt selbst als wichtige Gesundheitsressource angesehen werden.

Wie können wir diese Vielfalt unter den Menschen im Gesundheitsförderungs- und Gesundheitsversorgungssystem annehmen und allen die bestmögliche Gesundheit bieten? Besondere Aufmerksamkeit muss gefährdeten Gruppen geschenkt werden, und es sollte immer an eine Miteinbeziehung gedacht werden, beispielsweise in Entscheidungsgremien. Welche Maßnahmen können in der Gesundheitssystemgestaltung ergriffen werden, um der Vielfalt im Gesundheitswesen Rechnung zu tragen? Dazu gibt es Forschungsergebnisse und Anwendungsprojekte aus Österreich, die bei der 26. wissenschaftlichen Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Public Health (ÖGPH), am 25. und 26. Mai in der European Public Health Week präsentiert werden.

Bei der Jahrestagung der ÖGPH werden in Bezug auf Diversität Präsentationen zu folgenden Dimensionen gemacht: Migrationshintergrund, Inklusion von Menschen mit Behinderungen, LGBTIQ, Geschlecht und sehr viele Präsentation mit Bezug auf höheres Alter.

Migrationshintergrund: Menschen mit Migrationshintergrund sind häufig gesundheitlich benachteiligt, und gleichzeitig in Gesundheitsförderungsprojekten sehr schwer erreichbar. Damit sie dennoch von Gesundheitsförderungsprogrammen profitieren können, braucht es einen sensiblen Ansatz, mit einer entsprechenden Willkommenskultur auch in Projekten mit dem Schwerpunkt Förderung der körperlichen Aktivität (Großschädl). Für mentale Gesundheitsförderung, in denen psycho-emotionale Kompetenzen gefördert und die Bewältigung von posttraumatischen Belastungen vor allem bei migrationsbedingten Stresssituationen unterstützt werden, braucht es Angebote in den Muttersprachen, um so auch Verstehbarkeit zu erreichen und ein Kohärenzgefühl stärken zu können (Kampmüller).

Inklusion von Menschen mit Behinderungen: In einem partizipativen Ansatz wurden Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung zum Verständnis von Bewegung und Gesundheit befragt. Die Ergebnisse zeigen, dass sie sehr wohl klar definierte Sichtweisen zu körperlicher Aktivität haben, die Einschätzung des eigenen Bewegungsverhaltens stellt jedoch eine Herausforderung dar (Sattler und Kreinbucher-Bekerle).

LGBTIQ: Eine Untersuchung bei österreichischen Schüler*innen und Lehrlingen im Rahmen der HBSC-Studie zeigt erstmals für Österreich, dass sich 17% als nicht heterosexuell identifizieren, und dass etwa 1% sich nicht als männlich oder weiblich einordnen (Teufl et al.).  Eine Metaanalyse zur Verwendung von Präexpositionsprophylaxe (PrEP) zur Prävention von HIV-Übertragungen zeigt, dass PrEP besonders hohe Wirksamkeit bei Männern, die mit Männern Sex haben und bei Paaren mit unterschiedlichem HIV-Status hat (Reinsperger et al.).

Geschlecht: Der aktuellste Frauengesundheitsbericht zeigt, dass es vor allem Mehrfachbelastungen und die „Allzuständigkeit“ von Frauen sind, die die Gesundheit bedrohen und die in Zusammenhang mit Aspekten der Solidarität wichtige Fragen für Public Health aufwerfen (Gaiswinkler et al.). Fragen nach weiblichem Leadership im österreichischen Gesundheitsversorgungsystem vor dem Hintergrund der Women in Global Health Bewegung widmet sich ein eigener interdisziplinärer Workshop im Rahmen der Public Health Tagung (Woldemariam).

Alter(n): Aktuelle Krisen treffen ältere Menschen ganz besonders, sei es die COVID-19 Pandemie, die immer noch ihre Nachwirkungen zeigt, die aktuelle Energie- und Teuerungskrise, der Krieg in Europa oder die über allem schwelende Klimakrise. Um diese Krisen für alte Menschen zu mildern bedarf es unter anderem eines hohen Maßes an Solidarität zwischen den Generationen (Dorner et al.). Die COVID-19 Pandemie hat gezeigt, dass Einschränkungsmaßnahmen mit einer Erhöhung der situativen Einsamkeit bei älteren Menschen in Österreich geführt hat, insbesondere bei allein lebenden (Stolz et al.). Die Pandemie führte und führt auch zur Vergrößerung von Ungleichheiten der psychischen Gesundheit älterer Menschen, wie eine Literaturübersicht publizierter Studien zeigte (Waldherr und Prinz). Der Klimawandel mit den Auswirkungen Hitzeepisoden, Extremwetterereignisse, Luftverschmutzung und verstärkte Pollensaisonen bedrohen die Gesundheit älterer Menschen besonders. Andererseits haben Gesundheitsförderungsmaßnahmen das Potential Resilienz gegenüber Klimavulnerabilität bei älteren Menschen zu schaffen und gleichzeitig den CO2-Verbrauch zu reduzieren und somit zur Klimaprotektion beizutragen (Dorner und Stein).

Zu Gesundheitsförderungsmaßnahahmen für ältere Menschen zählt unter anderem körperliche Aktivität. In einer Telefonbefragung bei älteren Menschen in Niederösterreich wurden Beweg-Gründe im Alter erhoben (Richter und Gösenbauer). Bewegung, adäquate Ernährung und soziale Unterstützung zählen auch zu den Gesundheitsförderungsmaßnahmen, die Frailty effektiv vorbeugen können. Frailty führt zu vielen nachteiligen Outcomes, unter anderem auch zu Beeinträchtigungen in den basalen und den instrumentellen Aktivitäten des täglichen Lebens, wie eine Analyse des SHARE Datensatzes, einer großen europäischen Kohortenstudie mit österreichischer Beteiligung, zeigt (Woldemariam). Gesundes Arbeiten ist ebenfalls eine Voraussetzung für gesundes Altern. Um diese operationalisieren zu können wurde eine deutsche Übersetzung eines Erhebungsinstrumentes zur Erfassung der Arbeitsfreundlichkeit am Arbeitsplatz validiert (Lang). Eine weitere wichtige Gesundheitsressource für gesundes Altern und eine entsprechende Gesundheitsversorgung ist Gesundheitskompetenz (Health literacy). Aber nicht nur die eigene Gesundheitskompetenz älterer Menschen ist eine solche Ressource, auch die professionelle Gesundheitskompetenz von Health Professionals (wie von Physiotherapeut*innen) gilt aus Chance für Empowerment älterer und hochaltriger Menschen (Schlegl), und trägt somit zur adäquaten gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung älterer Menschen bei. Im Kuratorium Wiener Pensionisten-Wohnheime zeigte eine Befragung der Mitarbeiter*innen Handlungsspielräume für gesundheitsförderliches Betreuen älterer Menschen in Wien auf (Lackinger). In dieselbe Kerbe schlägt eine Übersicht über Projekte zu personenzentrierter Langzeitpflege. Auf die Gesundheit von Betreuer*innen und Pflegepersonen älterer Menschen darf nicht vergessenen werden, und auch nicht darauf, sie und auch die Zielgruppe in die initiale Planung von Versorgung und Adaptierung von Versorgungsregimes auf aktuelle Anforderungen und aktuelle Krisen miteinzubinden (Stein und Strobl). Technische Tools und „Lösungen“ können zur Unabhängigkeit, Selbstständigkeit, Partizipation, Lebensqualität und somit zur Gesundheit älterer institutionalisierter Menschen beitragen. Sie bergen aber auch die Gefahr, dass sie, in ihrer Absicht den Alltag zu erleichtern möglicherweise auch dazu führen, dass verschiedene Körperfunktionen nicht mehr adäquat verwendet werden und beschleunigen somit den altersbedingten Funktionsverlust (Capatu et al.). Die Beziehungsqualität in der 24-Stunden Betreuung wurde auch in einer steiermärkischen Arbeit untersucht und dabei auch Optionen für Verbesserungen der Qualität herausgearbeitet (Gaugg).